Ideen in Patentansprüche strukturieren
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Kernkompetenz des Patentanwalts
Die wesentlichste Aufgabe des Patentanwaltes bei Abfassung einer Patentanmeldung ist es, die Patentansprüche zu verfassen. Deren Gesamtheit nennt man Anspruchssatz. Diese stellen den Schutzumfang dar, der beantragt wird. Die Ideen des Erfinders müssen also in eine geeignete Formulierung für diese Ansprüche umgesetzt werden. Dabei sollten der Schutzumfang nicht zu breit sein, um neu gegenüber dem Stand der Technik zu sein, wobei das während des Prüfungsverfahrens noch geändert werden kann. Der Schutzumfang sollte auch nicht zu eng sein, dadurch würde sich der Schutz auf weniger Gegenstände erstrecken, als möglich.
Kernidee in Hauptanspruch umsetzen
Der Hauptanspruch (= unabhängiger Anspruch) gibt einen Kerngedanken bzw. Kernidee wieder, d.h. ein oder mehrere technische Merkmale, die diese Idee umsetzen würden. Dabei sollten alle Merkmale geprüft werden, ob sie wirklich notwendig sind, denn jedes Merkmal ist einschränkend. Bei einer späteren Prüfung auf eine Verletzung durch einen Konkurrenten werden alle Merkmale des (später erteilten) Anspruchs verglichen, ob sie im Wettbewerberprodukt/verfahren auch vorkommen. Ist das auch bei nur einem Merkmal nicht der Fall, so liegt keine Verletzung vor und das Patent entfaltet keine Schutzwirkung!
Beispiel: Beansprucht wird "Ein Stuhl mit einer Rückenlehne in S-Form mit maximalem Radius von x aus einem gewebtem Stoff." Angenommen die Kernidee liegt in der S-Form mit dem entsprechenden Radius, dann könnte der Wettbewerber das Patent einfach umgehen, indem er keinen gewebten Stoff verwendet. In diesem Fall wäre das Merkmal "gewebter Stoff" unnötig einschränkend und sollte stattdessen in einem Unteranspruch aufgenommen werden.
Allerdings: Je weniger Merkmale, desto größer ist die Gefahr, dass es schädlichen Stand der Technik gibt, so dass der Anspruch nicht neu (oder erfinderisch) ist. Das kann im Prüfungsverfahren aber geheilt werden, in dem weitere Merkmale in den Hauptanspruch mit aufgenommen werden, so dass dieser neu und erfinderisch ist. Wiederum allerdings: Patentanmeldungen werden nach Eingang beim Patentamt klassifiziert, d.h. Patentklassen zugeordnet, anhand ihrer Merkmale und Anwendungsfälle. Falls im o.g. Beispiel ein "Campingstuhl" beansprucht wird und nicht ein viel breiteres (nicht von den Ausmaßen, sondern vom Schutzumfang her) "Sitzmöbel", so dürfte das auch die Klassifizierung ändern. Prüfer speziellerer Patentklassen handhaben i.d.R. den Stand der Technik restriktiver, d.h. er muss genauer passen. Z.B. Kann einem Sitzmöbel die S-Form eines bekannten Flugzeugsitzes leicht entgegengehalten werden, bei einem Campingstuhl ist das weniger wahrscheinlich.
Weiterhin sollte die kleinste handelbare Einheit beansprucht werden. Wenn man z.B. eine verbesserte Sattelstütze erfunden hat, dann sollte man auch diese beanspruchen und nicht einen Sattel oder ein Fahrrad. Würde ein Konkurrent später eine Sattelstütze verkaufen, obwohl nur ein Sattel beanspruch ist, verletzt er das Patent nicht mehr unmittelbar, sondern höchstens mittelbar und ist schwerer zu belangen. Die parallele zusätzliche Beanspruchung eines Sattels ist jedoch sinnvoll.
Mehrere unabhängige (Haupt)ansprüche
Es gibt verschiedene Kategorien von Patentansprüchen von denen normalerweise je ein unabhängiger Anspruch (=Hauptanspruch) in einem Patent vorkommen darf. Es gibt Ausnahmen, was hier aber zu weit führt.
Mehrere Ideen in eine Patentanmeldung
Was jedoch nicht so einfach geht, ist die gleichzeitige Beanspruchung von mehreren parallelen Ideen in einer einzigen Patentanmeldung. Beispiel: Zur flexiblen Volumenvergrößerung eines Rücksacks wird einmal ein sehr dehnbares Obermaterial genommen, dass sich beim Füllen des Rucksacks ausdehnt. Gleichzeitig wird noch ein zusammenfaltbarer Schlauch eingenäht. Hier handelt es sich um zwei Ideen, deren gemeinsamer Oberbegriff ein herkömmlicher Rucksack wäre. Gäbe es einen gemeinsamen Kern beider Ideen, der neu und erfinderisch wäre, so könnte alles problemlos in einer einzigen Patentanmeldung beansprucht werden.
- Abstrakter Hauptanspruch: Hier ist entweder etwas Kreativität hilfreich, z.B. "Rucksack mit einem Fach aus einem Material, das mindestens zwei Zustände aufweisen kann, bei denen jeweils ein unterschiedliches Volumen des Fachs ausgebildet wird."
- Priorisierung: Oder man subsummiert die weniger wichtigen Ideen in Unteransprüchen unter die eine Hauptidee. Dabei verkleinert sich aber der Schutzumfang. Würde ein Wettbewerber nur die Unteridee ohne die Hauptidee umsetzen, so wäre das Patent wirkungslos.
- Es drauf ankommen lassen: Eine nicht unübliche Praxis ist es, einen Hauptanspruch zu schreiben, der nicht neu ist, um den vielen parallelen Ideen ein gemeinsames Dach zu bieten und damit den Anschein einer sog. "einheitlichen Patentanmeldung". Häufig wird der erste Prüfungsbescheid trotz dieser Uneinheitlichkeit mehrere oder alle Ideen (Unteransprüche) mit recherchiert haben, so dass der Anmelder sich später auf die vielversprechendsten Ideen einschränken kann. Es gibt aber lediglich für die erste neue Idee einer Anmeldung (entsprechend der Nummerierung der Ansprüche) eine Garantie, dass diese recherchiert wird.
- Teilanmeldung: Es kann eine neue Patentanmeldung (Teilanmeldung) auf Basis einer alten eingereicht werden, solange diese alte Anmeldung noch nicht erteilt (also noch kein Patent) ist (hierzu gibt es nähere Details und auch Unterschiede zwischen verschiedenen Patentämtern). Dabei kann ein komplett neuer Anspruchssatz generiert werden, vorausgesetzt, alle technischen Merkmale sind in der alten Anmeldung offenbart. Dadurch kann eine sekundäre Idee auch geraume Zeit später noch eigenständigen Patentschutz erlangen.
Unteransprüche
Eine Erfindung hat oft nicht nur eine Idee, sondern ist eine Sammlung aus vielen Details. Patentansprüche haben jedoch den Aufbau einer Baumstruktur (können jedoch Kreise enthalten). Baumförmig unter der Kernidee/Hauptanspruch werden Zusatzmerkmale erwähnt, die Unterideen beschreiben. Jeder Ast mit einer solchen Unteridee (häufig auch Ausführungsbeispiel genannt) entspricht einem Unteranspruch. Dabei ist der Schutzumfang eines Unteranspruchs immer so zu lesen, dass der die Merkmale der rückbezogenen Ansprüche mit umfasst (Obermenge), d.h. Merkmal(e) der Kernidee plus Zusatzmerkmale. Über Bezugnahmen auf vorige Ansprüche wird diese Struktur pragmatisch realisiert.
Beispiel einer Unteridee für einen Unteranspruch: "Der faltbare Schlauch des beschriebenen Rucksacks wird durch einen Reißverschluss im zusammengefalteten Zustand gehalten."